Was wir anders machen und warum wir entkoppelte Jugendliche erreichen:
Schneller Start
Die AWAG Mittelmühle bietet Hilfe für Jugendliche, welche in anderen Hilfesystemen gescheitert sind oder von diesen abgelehnt werden. Unsere Einrichtung kann schnell und unkompliziert eine Ersthilfe aufbauen, da sie zunächst unabhängig von behördlichen Prozessen arbeitet. Es müssen also nicht erst Anträge gestellt, notwendige Papiere aufwendig beschafft und Fälle langwierig bearbeitet werden. Auch schicken wir keinen Jugendlichen wegen „Nichtzuständigkeit“ von Amt zu Amt. Die notwendige Hilfe kann rasch gestartet werden. Praktisch passiert es, dass ein Jugendlicher vor der Tür steht und am selben Tag aufgenommen wird. Anders, als in der etablierten Jugendhilfe sucht sich der Jugendliche die CoLab gezielt als Partner aus und bewirbt sich direkt bei uns. Er möchte sich motiviert auf unser Programm einlassen.
Lotsen: Lenken, statt biegen
Der größte Unterschied zur etablierten Jugendhilfe liegt in der Arbeitsweise mit den Jugendlichen unserer Zielgruppe. Wir arbeiten in sehr kleinen Gruppen und können so sehr individuell auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen. Unser primärer Ansatz ist nicht Erziehung, Kontrolle und Aufsicht, sondern „erst mal machen lassen“ und verlässliches Coaching. Wir verstehen uns nicht als Erzieher, sondern als Lotsen: Lenken, statt biegen; zuhören und offen fragen, statt einreden. Die jungen Menschen sollen verstehen, mit sich umzugehen. Dadurch fühlen sich die Jugendlichen nicht „von außen“ kontrolliert und eingeschränkt und müssen nicht „gegen das System arbeiten". Sie können anhand der Reflexion ihres eigenen Verhaltens lernen und sich verändern. Dennoch haben wir verlässliche Strukturen und klare Regeln, welche von den Jugendlichen verstanden und akzeptiert werden, da sie jeden einzelnen auch schützen und voranbringen.
Belastbare Bindung
Ein weiterer großer Aspekt ist das gegenseitige Vertrauen und das Begegnen auf Augenhöhe. Um an entkoppelte Jugendliche überhaupt noch heranzukommen, ist ein professionelles Nähe/Distanz-Verhältnis erforderlich: eine belastbare Bindung, welche von Zuwendung, Empathie, Akzeptanz und Fürsorge geprägt ist. Wir nehmen den jungen Menschen ehrlich an. Bei uns sind die Beziehungen authentisch und keine „eingekaufte Dienstleistung“. Unser Team gibt auch in Krisen Halt und Orientierung, lässt die jungen Menschen an sich ran. Das erfordert Mut zur langfristigen Verantwortung, die wir gerne und aus tiefster Überzeugung übernehmen.
Mehr Aushalten
Entkoppelte Jugendliche wollen ausgehalten werden. Sie testen Grenzen bis über die Belastungsgrenze hinaus aus und das immer wieder. Hier ist Geduld und Ausdauer gefragt. Das ist nur möglich, wenn die Mitarbeiter ihre Arbeit aus Leidenschaft verrichten und fest zueinander stehen. Wir können Rückschläge verkraften und werfen einen Jugendlichen nicht raus, wenn er beispielsweise „Mist“ baut oder mit Drogen rückfällig wird. Es wäre einfach, zu sagen „der Junge will nicht..." um ihn dann als „funktioniert nicht“ auszusortieren. Es ist aber gerade das Ergebnis einer guten pädagogischen Arbeit, diesen Willen herauszuarbeiten und zu fördern. Das gibt Halt. Für den jungen Menschen fühlt sich dies dann an, wie eine Familie.
Zuhause mit Coming-back Option
Jugendhilfe ist eine Hilfe auf Zeit; auch bei uns. Dieser Ansatz führt jedoch bei der etablierten Jugendhilfe oft dazu, dass bei den jungen Menschen kein Heimatgefühl aufkommt. Das „Heim“ ist Durchgangsstation, Zweckgemeinschaft, ein System. Unsere Gemeinschaft kann, wenn es der junge Mensch möchte, auf Dauer bestehen; auch außerhalb der Hilfe. Das „Heim“ wird so zur stabilen Basis. Da können sie immer wieder hin, das ist immer ihr Zuhause, solange sie es brauchen.
Diversität im Team
Anders, als in der etablierten Jugendhilfe kommen unsere Mitarbeiter nicht rein aus dem pädagogischen Bereich, sondern aus unterschiedlichen Berufsfeldern. Wir haben durch eigene Erfahrungen gelernt, dass das Prädikat „pädagogische Fachkraft“ kein Garant für eine gute Qualität in der Jugendarbeit ist. Vielmehr ist der Mix aus erfahrene Persönlichkeiten verschiedener Bereiche sehr wertvoll für die Arbeit mit unserer Zielgruppe. Wir unterliegen keinem pädagogischen Fachkräftegebot. Es wird uns daher bei der Personalwahl kein Titel der Ausbildung vorgeschrieben. Somit können wir unsere Fachkräfte anhand der tatsächlich benötigten und mitgebrachten Fähigkeiten aussuchen. Unser Team zeichnet sich daher durch eine Vielfalt an bodenständigen Persönlichkeiten mit zahlreichen Qualifikationen, Fähigkeiten und Kontakten aus. Vereint sind wir durch unsere gemeinsamen Werte.
Unsere Mitarbeiter haben in ihrem Leben etwas erreicht und können entsprechende Werte an die junge Generation weitergeben. Die Jugendlichen finden in den Erwachsenen Vorbilder, wenn sie beispielsweise erleben, wie wir Erwachsene Musik produzieren, eine Mauer hochziehen oder einen Verstärker reparieren.
Zusätzlich arbeiten wir eng mit Experten z.B. aus dem Sucht-, Schul- und Ausbildungsbereich zusammen.
Wir binden bei der Freizeitgestaltung gerne auch stabile ehemalige Teilnehmer mit in die Arbeit ein. Sie haben einen besonders authentischen Bezug zu unserer Zielgruppe und flankieren unsere Arbeit.
Durchhalten
In der Jugendhilfe können junge Menschen kurz vor Beginn ihrer Volljährigkeit einen „Antrag auf Hilfe für junge Volljährige" stellen. Über diesen wird dann vom Jugendamt neu entschieden. Die Sache hat für einen entscheidenden Harken: Zum einen wird der Antrag in der Regel nur dann bewilligt, wenn der Jugendliche auf einem „guten“ Weg (Ausbildung, Schule, etc.) ist, also „funktioniert“. Zum anderen sind diese Hilfen vom Umfang her sehr gering und eher nur zum Übergang in die Selbständigkeit geeignet. Dies stellt bei „unseren“ Jungs keine Hilfe dar. Bei ihnen ist auf ihrem bisherigen Weg (auch in der Jugendhilfe) so viel schief gelaufen, dass an Ausbildung oder Schule noch überhaupt nicht zu denken ist. Wenn ein Jugendlicher mit 18 Jahren bei uns ankommt, ist er erst mit 21 bis 23 Jahren soweit, dass an eine Ausbildung überhaupt gedacht werden kann (die er dann auch durchhält). Erschwerend kommt noch hinzu, dass es uns kaum gelingt, ein Jugendamt davon zu überzeugen, die Hilfe mit 18 wieder aufzunehmen: „zu alt“, „befindet sich derzeit nicht in der Jugendhilfe“, „kennen wir nicht“, „gewöhnlicher Aufenthalt nicht nachweisbar (da kein Wohnsitz)“, usw. CoLab kann auch und besonders in diesen Fällen die benötigte stationäre Hilfe über einen langen Zeitraum aufbauen und zu leisten.
Wohl des Menschen auch über 18
Auch bei Colab steht das Wohl des Menschen, welcher sich uns anvertraut, an oberster Stelle. Jedes (pädagogische) Handeln soll daher am Ende die Rechte, Interessen und Bedürfnisse des Jugendlichen im Zentrum haben. Diese Fürsorge endet jedoch nicht abrupt mit dem Erreichen der Volljährigkeit. Dies ist in der etablierten Jugendhilfen häufig der Fall. Zahlreiche Jugendliche, welche bei uns um Hilfe bitten, haben genau dies erlebt. Sie wurden teilweise an ihrem 18. Geburtstag von der etablierten Jugendhilfevor die Tür gesetzt.
Ängste und Mut
Die etablierte Jugendhilfe hat durch verschiedene schlimme Vorfälle der Vergangenheit (z.B. sexuelle Übergriffe) große Probleme mit der Einordnung von Kindeswohlgefährdung. Die dadurch entstehende, oftmals durch Angst geprägte Arbeitsatmosphäre schränkt die Handlungsfähigkeit mit entkoppelten Jugendlichen stark ein. Jegliche Handlungsunsicherheit ist ein großes Problem, da sie das zarte Vertrauen und die Verlässlichkeit sofort zerstört.
Es ist besonders wichtig, dass die Jugendlichen eigene Erfahrungen machen können, die sie an ihre Grenzen bringen. Unser Ansatz ist es, das Verhalten der Jugendlichen zu reflektieren, sie notfalls aufzufangen und Hilfe anzubieten. Dies bedeutet konkret:
Möchte man „entkoppelten“ Jugendlichen helfen, muss man sie zunächst so annehmen, wie sie sind. Hier ist es wichtig, vermehrt Chancen zu sehen und nicht nur die Probleme und Risiken, welche die „Neuen“ in die Gruppe tragen.
„Entkoppelte“ junge Volljährige können nicht rund um die Uhr Tag und Nacht beaufsichtigt werden. Sie müssen auch selber auf sich aufpassen können. Durch die gute Vernetzung in der Nachbarschaft und bei den Ordnungsbehörden erhalten wir hier eine gute Rückkopplung. So können wir eingreifen, wenn etwas schief läuft.
Auch ist es nicht sinnvoll, dass ihnen „alles hinterher getragen“ wird. Sie müssen lernen, dass sich beispielsweise Sauberkeit und Ordnung lohnen. Wenn mit der Wäsche nicht sachgerecht umgegangen wird, hat man nichts mehr anzuziehen. Schlechter Umgang mit Geld führt zu einem leeren Kühlschrank.
Es muss nicht alles perfekt sein. Wenn die Jugendlichen unserer Zielgruppe ihr Wohnumfeld selber aufbauen und gestalten, schätzen sie es mehr. Wir halten nicht viel von „hotelzimmerähnlichen“ Zuständen. Eine einfache Matratze kann zu Beginn an ausreichen, bis das Bett gebaut ist.
Wenn der Jugendliche etwas mutwillig zerstört, muss er merken, dass dies persönliche Konsequenzen hat, die sein unmittelbares Wohlbefinden einschränken. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass eine zerstörte Zimmertür zunächst nicht wieder seitens eines „technischen Dienstes“ ersetzt wird. Es gibt dann erst mal keine. Dies kann jedoch nur funktionieren, wenn seitens der Behörden keine „baulichen Mängel“ erhoben werden. Der Jugendliche soll in die Lage einer Wiedergutmachung kommen und an der Reparatur mitwirken.
Sucht ist eine Krankheit, die nicht durch Verbote geheilt werden kann. Auch ein „Wegsehen“ ist keine Lösung. Eine Suchtproblematik bedeutet herbe und teils kollektive und tiefe Rückschläge, mit denen sich Jugendliche und Betreuer im Rahmen einer Therapie offen auseinandersetzen müssen. Dies kann nur gelingen, wenn dem Träger seitens der Behörden keine „Drogenproblematik“ angekreidet wird.
Es kann sinnvoll sein, einen Jugendlichen wegen seines Verhaltens aus der Gruppe auszugrenzen. Im Extremfall kann diese Ausgrenzung bedeuten, dass der Jugendliche zeitweise wieder auf der Straße landet. Wir halten in diesen Fällen jedoch immer die Kommunikation offen.
Manchmal benötigt ein Jugendlicher seinen persönlichen Freiraum und taucht Monate lang unter. Auch das halten wir aus und können die Tür dennoch offen lassen, ohne dass wir gleich eine Vermisstenmeldung absetzen müssen oder ein Jugendamt „den Hahn abdreht“.
Unverständliche Regelungen
Bei uns müssen die Jugendlichen, welche bereits in Ausbildung oder Arbeit stehen, nicht pauschal 75% ihres Verdienstes an ein Amt abgeben, so wie es die etablierte Jugendhilfe fordert. Stattdessen beteiligen sie sich direkt und selbstbestimmt an Miete und Verpflegung. Erst dadurch entsteht bei unserer Zielgruppe die Motivation, arbeiten zu gehen und für sich selber zu sorgen. Dadurch erfährt der Jugendliche, was das Leben wirklich kostet und er ist stolz darauf, dass er etwas dazu beiträgt.
Die Förderplanung und das Berichtswesen sind auf das zur Qualitätssicherung Wesentliche reduziert. Somit haben wir viel mehr Zeit für die jungen Menschen sowie Abstimmungen im Team und müssen nicht stundenlang Berichte am PC erstellen oder altmodische Faxe hin und her senden. Wir haben die Erfahrung gemacht,dass derartige Berichte sehr wohl der Absicherung der Behörden dienen, selten aber zur konstruktiven Gestaltung der Hilfe beitragen.
Beurteilung
Bei uns urteilt der junge mündige Mensch über die Qualität unserer Arbeit, von der er direkt betroffen ist. Es urteilt nicht eine Behörde. Das hilft uns sehr dabei, unsere Arbeitsweise zu optimieren.
Vom Unterstützten zum Unterstützer
Viele „unserer Jungs“ werden zu „unseren Unterstützern“. CoLab ist nachhaltig und insgesamt eine starke Gemeinschaft. Daher stehen wir und die jungen Erwachsenen häufig in engem Kontakt, auch wenn sie keine Hilfe mehr benötigen: sie bleiben der CoLab treu, stärken uns als Fürsprecher und Unterstützer. Sie haben ein besonderes Verhältnis zu entkoppelten Jugendlichen und können direkt und indirekt helfen, die Lösung dieser Entkopplung anzugehen.